„Zur neuen Normalität von Elternschaft. Soziale Herausforderung der biologischen Elternschaft“

08/2020

Weltweit wurden zwischen 1978 und 2018 geschätzt mehr als 8 Millionen (Mill.) Kinder nach einer künstlichen Befruchtung geboren. Jahr für Jahr steigt die Zahl dieser Geburten. Einerseits erleichtern und fördern die Techniken der Reproduktionsmedizin die Bildung von Familie. Sie dienen damit einer Normalität von Elternschaft, also dem, was im Alltag als Elternschaft zunehmend selbstverständlich gelebt und anerkannt wird. Andererseits erfordern der kulturelle Wandel der Familie und die rasanten Entwicklungen in der Fortpflanzungsmedizin Anpassungen des Rechts an die familiale und medizinisch-technische Wirklichkeit. Was bleibt, ist ein nicht auflösbarer Dissens über die kulturelle Bedeutung der biologischen Elternschaft und ihrer Diversität.

In Baden-Württemberg wohnen 11 Mill. Menschen aus fast allen 193 Staaten der Erde. Sie vertreten Ethnien und Religionen der fünf Kontinente. Sie alle haben Eltern, viele von ihnen sind Eltern. Deshalb glauben sie zu wissen, was Elternschaft ist.

Deshalb lösen auch manche Veränderungen der Elternschaft nicht gleichermaßen heftige Emotionen und Diskussionen aus (siehe i-Punkt »Religionsgemeinschaften und Reproduktionsmedizin«). Und dies dürfte erst recht für künftige, schon jetzt absehbare Szenarien gelten. Elternschaft vollzieht einen tiefgreifenden Wandel, der besonders durch das rasante Fortschreiten in der Fortpflanzungsmedizin in seiner Gänze noch nicht zu begreifen ist. Was bedeutet das für Elternschaft, wenn der Prozess von der Zeugung bis hin zur Geburt außerhalb des Mutterleibes technisch möglich würde, wenn zudem die Gameten für die Zeugung künstlich aus Körperzellen erzeugt würden? Die Antworten darauf werden immer uneins sein, einen nicht lösbaren Dissens widerspiegeln. Aber sie werden von den Menschen gegeben und nicht von der Natur vorgegeben. Die Antworten ergeben sich im Rahmen eines durch neues Wissen und neue Gewissheiten begründeten Verständnisses, das Menschen »im Spiegel ihrer Lebenswelt« von der Normalität der Familie und Elternschaft haben. Sie sind und bleiben soziale Herausforderungen der biologischen Elternschaft.


Beitrag von Dr. Bernd Eggen im Statistischen Monatsheft der FamilienForschung BW