„Wir sind mit unseren Kräften am Ende“: Mutter eines Kindes mit Behinderung über die Pandemiebelastung

02/2022

  • Das Familienleben mit einem Kind mit Behinderung ist auch ohne Pandemie ein ständiger Balanceakt.
  • In der Regel wird es getragen, durch ein über Jahre gewachsenes Netzwerk aus Therapien, Betreuung in der Kita oder Schule und anderen Entlastungsangeboten.
  • Durch die Pandemie gerietet dieses fragile Konstrukt ins Wanken. Eine Mutter berichtet.

„Dass eine Corona-Infektion für Maximilian vermutlich lebensbedrohlich wäre, davor warnte uns die Kinderärztin schon zu Beginn der Pandemie. Ihre Prognose im März 2020: Vermutlich wird ihr Sohn ein paar Monate nicht in die Schule gehen können. Am Ende waren es anderthalb Jahre. Eine Maske konnte er anfangs nicht tragen, Abstandhalten fiel ihm schwer. Auch das Hygienekonzept für die Förderschule überzeugte uns wenig. Also mussten wir auf eine Impfung für ihn und für uns warten. Im Sommer 2021 bekam er endlich die zweite Impfung und damit war der Weg frei für etwas mehr Normalität.

Die letzten 18 Monate waren eine ziemliche Belastung für unsere Familie. Und das sage ich aus einer sehr privilegierten Situation heraus. Ich kümmere mich in Vollzeit um meinen Sohn. Seine Geschwister sind sehr selbstständig und verantwortungsvoll. Finanzielle Sorgen durch die Pandemie bestanden nicht, auch mein Mann konnte im Homeoffice arbeiten. All das ändert nichts daran, dass wir mit unseren Kräften am Ende sind.

Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es Alleinerziehenden oder Familien ohne diese Möglichkeiten gehen mag. Vor der Pandemie konnten wir uns gut funktionierendes Netzwerk zur Entlastung verlassen. Mein Sohn ging fast jeden Tag bis um 14.30 Uhr zur Schule, bekam dort auch Physiotherapie, Logopädie oder Ergotherapie. Für zusätzliche Entlastung sorgten Freizeitbegleiter, die ab und zu mit meinem Sohn Ausflüge unternahmen und den Nachmittag verbrachten. Früher ging mein Sohn auch noch zur Freiwilligen Feuerwehr und bekam Schlagzeugunterricht in der Musikschule. In den Ferien fuhr er regelmäßig auf inklusive Ferienfreizeit. So gab es für uns wichtige Kraftoasen in einem herausfordernden Alltag. Und genau dieses Unterstützungsnetzwerk, das wir uns über Jahre mühevoll aufgebaut hatten, fiel nun komplett weg und funktioniert bis heute nur sehr eingeschränkt. Das mussten und müssen nun alles wir als Familie auffangen – von Pflege bis Förderung. Weiterlesen s.u.

Quelle: Redaktionsnetzwerk Deutschland vom 17.02.2022


RND vom 17.02.2022