Verbändebündnis fordert Umsetzung des Koalitionsvertrags für Alleinerziehende und Trennungsfamilien

02/2021

Aktuell arbeitet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales an neuen Regelungen zur Existenzsicherung, die kurzfristig in Kraft treten sollen[1]. Mit Befremden stellen die Unterzeichner*innen dieser Erklärung fest, dass auch in der voraussichtlich letzten Novelle des SGB II vor der Bundestagswahl die Bedarfe von Trennungsfamilien weder anerkannt noch verlässlich im Existenzsicherungsrecht abgebildet werden. Gelebte gemeinsame elterliche Verantwortung trotz Trennung, das Aufrechterhalten von familiären Bindungen durch Pendeln zwischen und das Familienleben in zwei Haushalten gibt es nicht zum Nulltarif. Diese Bedürfnisse von Trennungsfamilien werden erneut übergangen, obwohl der aktuelle Entwurf offene Aufträge aus dem Koalitionsvertrag umsetzen soll.

Es ist für die unterzeichnenden Organisationen nicht nachvollziehbar, warum der Entwurf mit seinen zahlreichen und überwiegend auf Dauer angelegten Vorschlägen, z.B. eine großzügigere Freistellung von Immobilienvermögen, nicht aber einen Umgangsmehrbedarf für Elternteile und Kinder enthält. Das Versprechen des Koalitionsvertrages, zu prüfen „wie die bei Wahrnehmung des Umgangsrechts zusätzlich entstehenden Bedarfe bei der Leistungsgewährung künftig einfacher berücksichtigt und Alleinerziehende entlastet werden können (Z 2316f., S. 51)“, bleibt uneingelöst. Die jahrelangen Forderungen der unterzeichnenden Verbände, die in besonderer Weise mit der Situation von Kindern in Trennungsfamilien sowie Alleinerziehenden vertraut sind, verhallen ungehört.

Die Koalitionspartner haben sich vorgenommen, das Wohl der Kinder in das Zentrum zu stellen (S. 20) und die gemeinsame Erziehungsverantwortung beider Elternteile nach Trennung und Scheidung zu stärken (S. 132). Um dieses Ziel zu erreichen, müssen entsprechende Kosten auch über Leistungen im Existenzsicherungsrecht abgedeckt werden. Die gemeinsame Sorgeverantwortung durch getrenntlebende Elternteile darf nicht nur ein Modell für gut Verdienende sein. Hierauf haben auch diejenigen Familien einen Anspruch, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch II beziehen.

Aktuell ist die Rechtslage so, dass existenzsichernde Leistungen für das Kind nur nach Aufenthaltstagen bei den Eltern „aufgeteilt“ werden. Die höheren Aufwendungen für „Fixkosten“ bzw. die für Kinder notwendige „Infrastruktur“ in zwei Haushalten bleiben ungedeckt. Zum einen fallen doppelte Kosten zum Beispiel für Kleidung und Ausstattung an. Zum anderen werden laufende Kosten wie zum Beispiel für Versicherungen, Vereinsbeiträge oder das Handy im Haushalt der überwiegend betreuenden Alleinerziehenden auch bei tageweisen Abwesenheiten des Kindes nicht eingespart. Die Aufteilung des Sozialgeldes nach aktueller Rechtslage steht daher einem konfliktfreien Miteinander der Eltern diametral entgegen. Diese Rechtslage kann das Kindeswohl nicht umfassend gewährleisten.

Daher besteht dringender Handlungsbedarf. Die höheren Kosten für eine Betreuung durch beide Eltern müssen abgesichert werden, etwa durch einen Umgangsmehrbedarf beim zweiten Elternteil. Wir fordern die Koalition auf, auch dieses Versprechen gegenüber Eltern und Kindern aus dem Koalitionsvertrag einzulösen.

[1] Referentenentwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (BMAS), geplantes Inkrafttreten 1.4.2021.


Verbändeerklärung Umgangsmehrbedarf