Unsichtbare Frauen – wie eine von Daten beherrschte Welt die halbe Menschheit ignoriert

03/2021

Frauen frieren in Zügen und Großraumbüros, weil die Klimaanlage auf das Kälteempfinden von Männern ausgerichtet ist. Sie verbringen die gesamte Theaterpause (als Theaterbesuche noch möglich waren) in der Warteschlange, weil zu wenige Toiletten da sind. Was eher als eine Lästigkeit erscheinen mag, ist in vielen Ländern der Welt ein lebensbedrohliches Problem: das Fehlen von öffentlichen Toiletten für Frauen. In einigen Bundesstaaten Indiens haben Frauen keinen Zugang zu Toiletten und verschwenden wertvolle Lebenszeit damit, einen sicheren Ort zu suchen. Wenn sie ihn nicht finden, werden sie oft sexuell belästigt oder gar getötet.

Von städtischen Behörden werden die besonderen Bedürfnisse von Frauen nicht erfasst und daher auch nicht berücksichtigt. Doch das Problem ist umfassender. In sehr vielen Bereichen werden keine nach Geschlecht getrennten Daten erhoben: etwa in der medizinischen Forschung, die der Einfachheit halber meist auf Männer ausgerichtet ist. Oder bei der Verkehrsplanung, die dem überwiegend von Männern genutzten Auto den Vorzug gibt, obwohl die Mehrzahl der Frauen – global betrachtet – zu Fuß oder per Rad unterwegs ist.

Die allgegenwärtige Diskriminierung von Frauen wird mit nüchternen Zahlen untermauert. Und diese belegen, was man bisher nur vermutet hat: Die Welt ist nicht nur teilweise, sondern fast ausschließlich auf Männerbedürfnisse ausgerichtet. Sie nennt es „One-size-fits-men“. Dass die Datenlücke so schwerwiegend ist, liegt auch daran, dass wir uns im digitalen Zeitalter befinden. Daten sind das Gold dieser Ära. Mit Daten kann man viel Geld verdienen und auf ihrer Basis werden jeden Tag weitreichende Entscheidungen gefällt. Deswegen macht es einen gewaltigen Unterschied, ob für einen Algorithmus Daten von Männern oder von Frauen herangezogen werden, und mit welchen Daten Künstliche Intelligenz gefüttert wird.


Die verborgene Hälfte. IPG vom 5.3.2021