Schule in der Pandemie: Befunde verschiedener Studien

07/2021

Bedingt durch die Ausbreitung des Coronavirus und die Maßnahmen zu seiner Eindämmung wurden am 17. März 2020 die Schulen in Baden-Württemberg erstmals geschlossen und die Schülerinnen und Schüler – mit Ausnahme von wenigen Notregelungen – in das häusliche Lernen entlassen. Eine zweite Schulschließung erfolgte ab Mitte Dezember 2020 bis zum Februar 2021.

Die Pädagogischen Hochschulen (PH) beschäftigten sich in mehreren Studien mit dieser neuen Situation und ihren Auswirkungen auf das Lernen: Die Erfahrungen von Eltern untersuchte Professor Dr. Anselm Böhmer von der PH Ludwigsburg in den Studien „Fernunterricht und Elternerfahrungen während der Corona-Pandemie“ (Corona-FEE, erste Phase des Fernunterrichts, in Deutschland, abgeschlossen) sowie „Soziales und Corona“ (SoCo, zweite Phase des Fernunterrichts, in Deutschland, aktuell in Auswertung). Grundlage der Untersuchung sind über 1.100 vollständig ausgefüllte Fragebögen in Corona-FEE und mehr als 750 in SoCo. Die Auswertungen zeigen, dass die befragten Eltern den erlebten Fernunterricht eher kritisch einschätzten und auf methodische, soziale und kommunikative Belastungen verweisen. Soziale Unterschiede der Eltern trugen nicht zu einem unterschiedlichen Engagement im Fernunterricht bei. Die zentralen Befunde der Studie lassen sich so zusammenfassen: Vermittlung, Umfang und Inhalt des Lernstoffs motivierten die Eltern, geringes Einkommen hingegen belastete die Bereitschaft der Eltern nicht.

Eine in einer zweiten Grundschulklasse durchgeführte qualitative Studie von Prof. Dr. Birgit Hüpping (PH Ludwigsburg), Dr. Mirja Kekeritz (Universität Koblenz-Landau) und Prof. Dr. Melanie Kubandt (Universität Vechta) beleuchtet die Perspektive von Schulanfänger*innen auf den veränderten Schulalltag. In zwei Erhebungsphasen, in den durch die Pandemie geprägten Jahren 2020 und 2021, wurden durch Partnerinterviews, Fragebögen, Kinderzeichnungen und nicht-reaktiven Audiostatements Daten erhoben. Die Ergebnisse beleuchten individuelle und kollektive Bewältigungsstrategien der Kinder beim heimischen Lernen. Sie zeigen auch die hohe Relevanz des Schulbesuchs in der Funktion als für Kinder bedeutsamer sozialer Interaktionsraum. Denn insbesondere die Abwesenheit interaktiver Lernmöglichkeiten, gemeinsamer Teilhabe an Unterrichtseinheiten und Kommunikation untereinander scheinen aus Sicht der Kinder im heimischen Schulsetting als besonders nachteilig und belastend. Als weitere Herausforderung werden die Grenzverschiebungen zwischen schulischen und familialen Logiken von den Kindern in den Fokus gerückt.

Die Erkenntnisse aus der Studie weisen darauf hin, dass medienpädagogisch aufbereitete Angebote und der Einsatz digitaler Tools unter Mitschüler*innen und/oder gemeinsam mit der Lehrkraft den Kommunikationscharakter in der Lerngruppe sowie zwischen den Kindern im Unterricht sinnvoll ergänzen (können). Aus den Bewältigungs- und kreativen Anpassungsstrategien der Kinder lassen sich für Eltern und Lehrkräfte Empfehlungen ableiten, wie der häusliche Schulbesuch kinder- und schülerfreundlicher gestaltet werden könnte.

Eine weitere gerade veröffentlichte Studie der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und Heidelberg, in der Schülerinnen und Schüler zu ihren Erfahrungen im zweiten Lockdown befragt wurden, arbeitet Unterschiede aus den zweiten Schulschließungen im Vergleich zum ersten Lockdown heraus. Sie wurde an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg von Valentin Unger, Doktorand im Forschungsprojekt EKoL und Juniorprofessor Dr. Hendrik Lohse-Bossenz und an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg von Professor Dr. Albrecht Wacker durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Befragung hatten die Probandinnen und Probanden den zweiten Arbeitsblock von der Schulschließung bis zu den Osterferien bewältigt.

In dieser Studie, zu der Antworten von 400 Schüler*innen vorliegen, zeigt sich eine deutlich bessere organisatorische und kommunikativere Rahmung im Vergleich zu bereits vorgelegten Befunden des ersten Lockdowns. Zentral tritt der Befund hervor, dass die Lernenden eine Verbesserung der Online-Lehre sehen, durch mehr Videokonferenzen und Online-Unterricht sowie durch eine bessere Struktur und Organisation der Abläufe. Im Vergleich zu den ersten Schulschließungen, bei denen hauptsächlich über Mails kommuniziert wurde, wurde in der zweiten Phase hauptsächliche über digitale Lern- und Arbeitsplattformen kommuniziert. Die Ergebnisse wurden online in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift „Lehren und Lernen“ veröffentlicht und ebenfalls in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift „b & w“ auch den Lehrkräften in einer Kurzfassung zur Verfügung gestellt.

Aus allen drei Studien lassen sich Folgerungen für den zukünftigen Fernunterricht ableiten, auch um weiteren Lernrückstände zu begegnen. Die Forscher der PH Ludwigsburg richten hierzu am Nachmittag des 27. September eine digitale Tagung für Wissenschaftler*innen, Schulleiter*innen sowie alle interessierten Personen aus.


Ansprechpartner PH Ludwigsburg