Pisa-Studie: Schulleistungen in Deutschland weiter gesunken
12/2023
Berlin (KNA) Neuer Pisa-Schock? Die schulischen Leistungen der 15-Jährigen in Deutschland sind in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften merklich gesunken. Die Kenntnisse im Lesen und in Mathematik sind sogar auf einen historischen Tiefstand gefallen. Das geht aus der am Dienstag in Berlin veröffentlichten achten Pisa-Studie hervor, die die Fähigkeiten von 15-Jährigen weltweit getestet hat. Rund 690.000 Schüler aus 81 Ländern nahmen daran teil, in Deutschland waren es 6.100 aus allen Schulformen. (…)
Ein Rückgang des Bildungsstandes gegenüber der letzten Studie 2018 zeigt sich für Mathematik und Lesen auch in den meisten anderen Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). In Deutschland sind die Leistungseinbußen in allen drei Bereichen überdurchschnittlich groß. Deutschland liegt damit nur noch in den Naturwissenschaften signifikant über dem Durchschnitt der OECD-Staaten (492 zu 485 Punkten). In Mathematik (475 zu 472 Punkten) und Lesen (480 zu 476 Punkten) entsprechen die Ergebnisse dem OECD-Durchschnitt, der in beiden Bereichen ebenfalls gesunken ist.
Rund ein Drittel der deutschen 15-Jährigen hat in mindestens einem der drei getesteten Felder nur sehr geringe Kompetenzen. Circa jeder Sechste hat in allen drei Bereichen deutliche Defizite. Die Anteile dieser besonders leistungsschwachen Jugendlichen sind seit 2018 größer geworden und betragen in Mathematik rund 30 Prozent, im Lesen 26 Prozent und in den Naturwissenschaften rund 23 Prozent.Auf der anderen Seite des Spektrums befinden sich die besonders leistungsstarken Schüler. In Mathematik ist ihr Anteil auf rund neun Prozent und im Lesen auf rund acht Prozent gesunken. In den Naturwissenschaften blieb der Anteil bei rund zehn Prozent stabil.
„Die Ergebnisse sind besorgniserregend“, erklärte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Berliner Senatorin für Bildung, Katharina Günther-Wünsch (CDU). Die langen Einschränkungen des Schulbetriebs durch Corona hätten zur negativen Entwicklung beigetragen. Zugleich sei die Schülerschaft heterogener geworden und der Anteil von Schülerinnen und Schülern aus Familien mit sozialen Risikolagen habe stark zugenommen. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) erklärte, der Handlungsbedarf im Bildungssystem könnte größer nicht sein. „Es geht darum, dass Schulen moderner werden und der Vielfalt an Talenten und Leistungen in den Klassen gerecht werden können.“
Im Jahr 2000 hatten die Ergebnisse der ersten Pisa-Studie in der Bundesrepublik zum sogenannten Pisa-Schock geführt, weil die Studie das Selbstbild als herausragender Bildungsstandort in Frage stellte. Anschließend hatte Deutschland seine Ergebnisse verbessern und auf hohem Niveau halten können. Der Deutsche Lehrerverband forderte am Dienstag mehr Anstrengungen bei der frühkindlichen Bildung. Schlüssel zum Bildungserfolg seien die Grundkompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen, sagte Verbandspräsident Stefan Düll den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er sprach sich für verpflichtende Vorschuljahre, Sprachstand-Tests in Kitas und gezielte Sprachförderung aus. Die Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft (GEW) forderte einen Masterplan gegen Bildungsarmut. „Die enge Kopplung von Schulerfolg und Elternhaus ist das Kardinalproblem des Schulsystems“, sagte GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze den Funke-Zeitungen. Ziel müsse sein, die individuelle Förderung zu verbessern. (…)
Der Kinderschutzbund kritisierte, dass die Benachteiligung von armen Kindern System habe. Deutschland schaffe es nach wie vor nicht, „das Versprechen vom Aufstieg durch Bildung einzulösen“, sagte Präsidentin Sabine Andresen den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Anmerkung LFamR: Länder, die bei PISA besser abschneiden (Estland, Kanada), schaffen es in aller Regel, die schulische Förderung gezielt auf die Kinder „zuzuschneiden“. Dazu braucht es zum Einen mehr Aufmerksamkeit (Diagnostik) für jedes Kind vor der Einschulung und zum Anderen die gezielte, passgenaue Förderung von Kindern in Benachteiligungslagen oder schwächeren Schüler*innen. Einschließlich der „Ansprache und Mitnahme“ ihrer Eltern, etwa durch Familienbildung. Aber es darf auch bezweifelt werden, ob die Unterrichtsqualität in Deutschland Schritt hält mit den gewachsenen Anforderungen. Und da geht es nicht nur um Unterrichstsausfälle wegen des Lehrermangels (das auch), sondern um Konzepte, Ausstattung und Qualifikationen.
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PISA 2022 Ergebnisse Band I Lernstände und Bildungsgerechtigkeit