Philosoph Hirsch: Müssen unbezahlte Arbeit mehr wertschätzen

05/2019

Köln (KNA) Der politische Philosoph Michael Hirsch kritisiert die zentrale Rolle der Erwerbsarbeit im Leben vieler Menschen. Er halte das für einen „historischen Anachronismus“, sagte Hirsch im Deutschlandfunk (Dienstag) mit Blick auf den Tag der Arbeit am 1. Mai. Da das Angebot von bezahlter Arbeit in Zukunft durch technische Entwicklungen weiter zurückgehe, sollten die Gesellschaften umlernen. „Man muss sich klar machen, dass der größte Teil der geleisteten Arbeit in allen Gesellschaften der Welt immer noch der unbezahlte ist“, betonte der Philosoph. Es sei deshalb eine „Blickverengung“, zu behaupten, die bezahlte Arbeit sei das allerwichtigste. Dabei überwiege rein statistisch die unbezahlte Tätigkeit, vor allem in Haushalt und Familie. „Die gesellschaftliche Frage ist, ob wir diese Tätigkeiten nicht etwas besser sichtbar machen und anerkennen sollten.“ Dabei gehe es weniger darum, diese Arbeit zu bezahlen. Mehr Anerkennung sollte sich vor allem darin ausdrücken, dass die tariflich verbindlichen Arbeitszeiten gesenkt würden, so Hirsch. Das sei in der Geschichte der Arbeiterbewegung der zentrale Fortschritt gewesen. Derzeit gebe es einen Trend zu „1,5-Erwerbspersonen-Haushalten“. Bei diesem Modell verdient ein Partner voll und der andere geht einer halben Stelle nach. Doch das reiche nicht mehr und führe zu Überlastung und dazu, dass viel zu viele Menschen arbeiteten. Es bleibe deshalb zu wenig Zeit für andere Dinge, die im Leben auch wichtig und schön seien. Michael Hirsch ist Philosoph und Politikwissenschaftler und arbeitet als Privatdozent für politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Siegen sowie als Dozent in München. (KNA, 2.5.2019)