Passives Wahlrecht: Jugend vor!
02/2023
Mittendrin statt nur dabei. Dieser Tage empfängt Muhterem Aras (Grüne) Jugendgemeinderät:innen im Landtag. Der Dachverband wird 30 Jahre alt. Grün-Rot sorgte 2015 für eine entscheidende Aufwertung. Die Gemeindeordnung verlangt seither, dass Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, „die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligt werden müssen“. Bei 20 bis 250 Unterschriften, je nach Größe der Kommune, ist ein entsprechendes Gremium einzurichten. Gerade wurde in Stuttgart neu gewählt. Bei dem Treffen mit Abgeordneten aller Fraktionen ist ein Thema immer wieder gesetzt: die Änderung des Kommunalwahlrechts.
„Eine nachvollziehbare zeitgemäße Begründung für eine Abkoppelung der Volljährigkeit und der unteren Altersgrenze für die Wählbarkeit liegt ohnehin nicht vor“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Dachverbands zu den Plänen der grün-schwarzen Landesregierung, das passive Wahlrecht herabzusetzen. Dass heißt: Bereits mit 16 Jahren, nicht erst mit 18 wie bisher, sollen sich Jugendliche als Gemeinde-, Ortschafts- und Kreisräte aufstellen lassen können. Auch die Bewerbung als Bürgermeister:in soll ab 18 und nicht erst ab 25 möglich sein. Reinhard Langer, der Vorsitzende des Dachverbands, begrüßt das. Aber: Er verlangt mehr Unterstützung und Begleitung.
Geteilt wird diese Forderung in einer der wenigen einschlägigen Studien zumindest zum aktiven Wahlrecht, also dem Recht zu wählen. Europaweit Vorreiter bei der Absenkung war Österreich, wo 16-Jährige sogar das nationale Parlament schon seit 2008 mitwählen können. „Ihrer eigenen politischen Reife steht die Altersgruppe skeptisch bis kritisch gegenüber, was im Sinne der Selbstreflexion positiv zu bewerten ist“, heißt es in der Untersuchung zu den Folgen und den zu ziehenden Konsequenzen. Bei aller Vorsicht gegenüber Verallgemeinerungen lässt sich aus den Ergebnissen der Studie doch schließen, dass Jugendliche Politik und politischen Themen grundsätzlich ein großes Interesse entgegenbringen – mit einem entscheidenden Unterschied. Denn in der Gruppe der 16- bis 18-Jährigen hätten Schüler:innen „ein größeres Interesse an Politik, einen höheren Informationsstand“ als bereits Erwerbstätige. Auch weil Jungwähler:innen die Schule als wichtigste Informationsquelle ansehen und ihr großes Vertrauen entgegenbringen. Weiterlesen s.u.
Anmerkung LFR: Eine äußerst spannende Frage ist dabei, ob und wie das neue Kommunlawahlrecht (wenn es um das passive Wahlrecht ab 16 Jahren geht, beim aktiven Wahlrecht hat sich der Landesfamilienrat für eine Absenkung des Wahlalters ausgesprochen) mit dem Erziehungsrecht der Eltern kollidiert. Das besteht bekanntlich bis 18. Außerdem können Jugendliche unter 18 einerseits keinen Vertrag (etwa fürs Smartphone) abschließen, sollen aber als Gewählte u.U. weitreichende Entscheidungen in der Kommune treffen. So richtig zu Ende gedacht erscheint diese Änderung noch nicht…. Dabei steht die nächste Kommunalwahl bereits 2024 an.
Ganzen Artikel von Johanna Henkel-Waidhofer in KONTEXT vom 08.02.2023 lesen: