Medien: Von der Herausforderung zur Bewältigung – ein ressourcenorientierter Blick auf Familie in der Digitalität

02/2022

Was Digitalisierung vor allem für Familien in belasteten Lebenslagen bedeutet und welche Potenziale für und durch ihre Teilhabe entstehen, untersucht Prof. Dr. Katrin Schlör in ihrem Beitrag „Von der Herausforderung zur Bewältigung – ein ressourcenorientierter Blick auf Familie in der Digitalität“. Die Autorin stellt fest, dass eine lebenslagensensible Unterstützung, qualifizierte Fachkräfte und ein entschiedenes Vorgehen gegen Bildungsbenachteiligung erforderlich sind, damit Kinder und Familien die kinderrechtlichen Potenziale von Digitalisierung und digitalen Medien nutzen können.

Einfluss der Digitalisierung auf Gesellschaft, Familien und Erziehung: Digitalisierung durchdringt alle gesellschaftlichen Bereiche grundlegend – so auch die erste und wichtigste Sozialisationsinstanz von Kindern: ihre Familie. Familienalltag und Erziehung ändern sich durch medial durchdrungene, pluralisierte und beschleunigte Formen des Zusammenlebens, entgrenzte Bildungs- und Arbeitszeiten oder multilokale Familienkonstellationen (u.a. bedingt durch (Re-)Migration oder Trennung). So zählt das Spannungsverhältnis aus Vernetzung, Gemeinschaft und Kollaboration sowie Individualisierung, Mobilität und Ablösung zu den großen Herausforderungen für Familien. Dies liegt unter anderem daran, dass bewährte, eventuell biografisch erlernte Erziehungspraktiken in einer Kultur der Digitalität nicht ohne Weiteres verfügbar sind. Die Folge ist, dass Familien neue Bewältigungsstrategien erproben und erlernen müssen, um handlungsfähig zu bleiben. In dem Konzept der Lebensbewältigung liegt folglich die Chance für Familien, das eigene Bewältigungsspektrum zu erweitern, um den genannten Herausforderungen adäquat zu begegnen und die Ressourcen der Digitalität für sich als Familie zu nutzen.

Benachteiligung von Kindern in Zeiten digitaler Medien: Nach wie vor wachsen Kinder in Deutschland in unterschiedlichsten Lebenslagen auf. Die Ausstattung mit kulturellem, sozialem und ökonomischem Kapital in ihren Familien entscheidet maßgeblich darüber, ob sie von der Digitalisierung profitieren können. Zwei Beispiele für Bildungsbenachteiligung: Erstens fehlt es an technischer Ausstattung durch die eine Benachteiligung im Home Schooling entsteht und zweitens besteht das Problem der Übertragung von Bildungsbenachteiligung – es fehlt an Medien(erziehungs)kompetenz.

Familien je nach Lebenslage unterstützen: Gleichzeitig entsteht Bildungsungleichheit erst durch die Bewertung anderer. So liegt es am gesamten Bildungssystem, sensibel auf strukturelle Reproduktionsmechanismen zu reagieren und sich kontinuierlich selbst zu reflektieren: Wie normativ und an wirtschaftlichen Interessen orientiert ist das angewandte Medienkompetenzverständnis? Wie viel Eigenverantwortung wird von Individuen erwartet? Mit welcher Haltung wird „anderen“ medienkulturellen Präferenzen begegnet? Dazu zählt der Blick auf Medienkulturen in Familien, der bisweilen recht normativ geprägt ist. Tragen wir Medienpädagoginnen und -pädagogen dazu bei, dass Familien anhand stereotyper Bewertungsmechanismen „guter“ und „schlechter“ Medienerziehung auch in medienpädagogischen Zusammenhängen nicht lebenslagensensibel und auf Augenhöhe angesprochen werden? Wie sehr wird Familien durch diese Bewertung Teilhabe im digitalen Raum verwehrt, statt dass man ihnen zuhört und dadurch medienbezogene Bewältigungspraktiken und medienpädagogische Bedürfnisse ernst genommen werden?

Eltern brauchen folglich Unterstützung statt (Be-)Wertung, um Kinder bei ihrem Start in das Leben in einer digital geprägten Gesellschaft gelingend zu begleiten. Häufig findet diese Begleitung nicht in Form von bewussten Entscheidungen oder intendierten Erziehungs- und Bildungspraktiken statt, sondern im alltäglichen Miteinander, das die Weichen für jetzige und zukünftige Teilhabemöglichkeiten stellt.


Ganzen Artikel mit weiterführenden Links im FKP lesen