Femizide: „Sonstige niedere Beweggründe“
06/2022
von Johanna Henkel-Waidhofer. Es geht nicht nur um einen Teufelskreis, es geht um mehrere: Männer, die ihre Frauen als ihren Besitz betrachten, Männer aus allen Schichten übrigens; Frauen, die ihre Beziehungen trotz des häuslichen Horrors nicht beenden, zum Beispiel, weil sie Angst haben müssen, vor dem Familiengericht ihre Kinder zu verlieren; seit Jahrzehnten unterfinanzierte Hilfs- und Präventionsangebote. Es geht darum, dass Tag für Tag Frauen bedroht oder verprügelt oder getötet werden.
Einen Anlass für eine Ergänzung des Paragraphen 211 im Strafgesetzbuch, die sich mit Mord befasst, um „Femizide“ oder „Frauenhass“ zu ergänzen, sieht Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) dennoch nicht. Seine Begründung ist ein Zirkelschluss: Der Begriff Femizid sei „nicht ausreichend bestimmt, um ihn als gesetzliches Mordmerkmal zu verankern“. Er empfiehlt: „Eine frauenverachtende Motivation unter Berücksichtigung und Bewertung aller Umstände des Einzelfalls unter der Generalklausel der ’sonstigen niedrigen Beweggründe‘ zu subsumieren“.
Jedoch: Die Zeiten ändern sich, sogar in der CDU-Landtagsfraktion. Zum ersten Mal seit Bestehen des Landtags sind mehr als ein Viertel der CDU-Abgeordneten weiblich. Natalie Pfau-Weller, die promovierte Politikwissenschaftlerin aus dem Wahlkreis Kirchheim, hat ein Femizid in ihrer Heimatstadt nicht losgelassen. Im Februar hatte ein Mann seine 58-jährige Ehefrau erschossen, sie hatte sich von dem Polizisten getrennt. Der richtete sich nach der Tat selbst.