Caritas und Diakonie: Pandemie hat Nachteile für ärmere Menschen vergrößert. 2. Armuts- und Reichtumsbericht gefordert

02/2022

Caritas und Diakonie fordern eine Neuauflage des Armuts- und Reichtumsberichts in Baden-Württemberg. Anlässlich des Welttags der sozialen Gerechtigkeit wollen sie so den Blick auf die Lebenslage der armutsbetroffenen Bevölkerung lenken. Der Bericht lege die Grundlage für eine landesweit wirksame Armutsbekämpfung, um die Corona-Folgen nachhaltig zu überwinden. Die kirchlichen Wohlfahrtsverbände weisen darauf hin, dass der Abstand zwischen Arm und Reich während der Corona-Krise gewachsen ist – auch in Baden-Württemberg. So ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen in den vergangenen zwei Jahren stark angestiegen (Januar 2020: 51.640 Personen; Januar 2022: 77.740 Personen). Auch hat die Pandemie Kinder und Jugendliche aus ärmeren Haushalten gegenüber Gleichaltrigen weiter abgehängt. Neben einer schlechten digitalen Ausstattung schränkten kleine Wohnungen deren Entfaltungsmöglichkeiten zu Zeiten von Lockdowns häufig sehr ein. Dieses Auseinanderklaffen der Teilhabe- und Bildungschancen wird noch über Jahre hinaus weitreichende Auswirkungen haben. Armut droht sich weiter zu verfestigen.

Diakonie und Caritas im Land verweisen auf die tiefen Spuren, die die Pandemie bei einkommensschwachen Haushalten hinterlassen hat: Sie erhielten keinen finanziellen Zuschuss, obwohl die Lebenshaltungskosten aufgrund von Corona gestiegen sind. Hinzu kommen derzeit weitere finanzielle Stressfaktoren durch steigende Energie- und Lebenshaltungskosten sowie hohe Mieten. Da die Hartz-IV-Sätze nicht adäquat erhöht wurden, wird sich die prekäre Lebenslage der Betroffenen weiter zuspitzen. Viele armutsbetroffene Menschen sind zudem gesundheitlich und emotional überdurchschnittlich belastet. So ziehen sich arme Menschen aufgrund der erfahrenen Ausgrenzung häufig aus der Gesellschaft zurück. Armut findet vielfach im Privaten und Verborgenen statt. Aus diesem Grunde erscheint es wichtig, ebenfalls die verdeckte Armut explizit in den 2. Armuts- und Reichtumsbericht Baden-Württemberg einfließen zu lassen, wie dies auf Bundesebene für den 7. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgelegt ist.

Um ein fundiertes Gesamtbild zu Ausmaß, Ursachen und Wirkungen von Armut zu bekommen, sehen die kirchlichen Wohlfahrtsverbände einen Anschlussbericht nach dem in 2015 veröffentlichten ersten Armuts- und Reichtumsbericht als dringend geboten. Dieser sei inzwischen veraltet und bilde nicht die Auswirkungen der Pandemie ab. Zwar beleuchte das Gesellschaftsmonitoring und die quartalsweise erscheinenden Gesellschaftsreports des Sozialministeriums spezielle Ausschnitte zu gesellschaftspolitischen Themen. Eine gesicherte Datenlage und ein Gesamtbild der Armutslagen einmal pro Dekade seien aber notwendig, um strukturelle Weichen zur Armutsprävention stellen zu können. Es gelte, in diesen 20er-Jahren erneut die Zusammenhänge von Gesundheit, Wohnungsnot, Teilhabe und Einkommen in den Blick zu nehmen. Wird nicht gegengesteuert, verfestige sich Armut, warnen Caritas und Diakonie. PM 18.02.2022